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Reden und Texte

 

Virtuelles Erich Scherer Archiv

 

Zehn Jahre nach der Eingliederung Tischardts 1982
Eigengewicht bewahrt

Rede von Erich Scherer

 

Meine Damen und Herren,

Wir haben Sie heute hierher eingeladen, um auf die letzten zehn Jahre, die Zeit seit der Eingliederung der früheren Gemeinde Tischardt in unsere Gemeinde, Rückschau zu halten, Rechenschaft abzulegen, vor allem aber der Bedeutung dieses Tages in der Geschichte unserer Gemeinde gerecht zu werden. Sicher hat es auch früher schon Gemeindezusammenlegungen gegeben, aber doch war die Gemeindereform ein ganz großes Ereignis, das die Bevölkerung bewegt und teilweise auch Emotionen wachgerufen hat. Davon wurden wir, Gott sei Dank, verschont.

Die Gemeindereform hat keine Gräben in unserer Gemeinde aufgerissen, die nicht längst wieder zugewachsen wären. Sie alle waren seinerzeit in irgendeiner Form Beteiligte an den Entscheidungen in unserer Gemeinde. Heute vor 10 Jahren hat die frühere selbständige Gemeinde Tischardt aufgehört, selbständig zu sein und ist in die größere Gemeinde Frickenhausen eingegliedert worden und seit 10 Jahren ist Herr Karl Brandstetter Ortsvorsteher des Ortsteils Tischardt. Auch Herr Weiß ist seither in Tischardt. Es ist deshalb sicher richtig, darüber nachzudenken, was wir seinerzeit gedacht, was wir uns vorgenommen hatten und was daraus nun geworden ist.

Schon Jahre vor der Absichtserklärung der seinerzeitigen Landesregierung, als große Koalition Anfang des Jahres 1971 die Gemeindereform in Baden-Württemberg durchzuführen, sind Diskussionen über die Funktion und notwendige Größe der Gemeinden geführt worden. Ich darf hier an einen Vortrag eines Professor Wagener vor dem Deutschen Juristentag erinnern, der die 5.000-Einwohner-Gemeinde kreiert hat. Von diesem Zeitpunkt an ist dieses Problem nicht mehr aus der kommunalen Diskussion verschwunden. Nach der Planung des Innenministeriums war in der ersten Runde für die Gemeinden Tischardt, Linsenhofen und Frickenhausen ein Verwaltungsraum vorgesehen mit der selbständigen Gemeinde Frickenhausen.

In der zweiten Runde wurde der selbständige Verwaltungsraum Frickenhausen aufgegeben und der Verwaltungsgemeinschaft Nürtingen zugeordnet. Um die Zusammenschlüsse zu versüßen, hat dann die Landesregierung Fusionsprämien nach § 34a FAG angeboten, die dann gewährt würden, wenn die Zusammenschlüsse freiwillig erfolgen sollten, und zwar bis zum 1. April 1972. Mit der Gründung des Hauptschulverbandes ist sicher eine Art Vorentscheidung getroffen worden.

Am 14. September 1971 fand in der "Traube" in Linsenhofen eine Veranstaltung mit dem seinerzeitigen Oberregierungsrat Dr. Heeb vom Innenministerium statt mit dem Thema "Gemeindereform". In der Bürgerversammlung am 15. Oktober 1971 vor der Gemeinderatswahl habe ich zu diesem Thema in Tischardt ebenfalls Stellung bezogen. Um meiner besonderen Stellung als gleichzeitiger Bürgermeister der Gemeinden Frickenhausen und Tischardt gerecht zu werden, habe ich darum gebeten, mich von den Aufgaben der Gemeindereform in Tischardt zu entbinden. Es haben dann auf Wunsch des Gemeinderats am 3. Dezember 1971 und 18. Januar 1972 erste Gespräche mit den Gemeinderäten von Linsenhofen stattgefunden. Nach intensiver Beratung in den Gemeinderäten fand am 1. Februar 1972 im Hauptschulgebäude des seinerzeitigen Hauptschulverbandes eine gemeinsame Besprechung der Bürgermeister und Gemeinderäte der Gemeinden Tischardt, Linsenhofen und Frickenhausen statt. Am 17. Februar 1972 haben sich dann die Verhandlungskommissionen von Tischardt und Frickenhausen über den Text einer Vereinbarung für die Eingliederung der Gemeinde Tischardt in die Gemeinde Frickenhausen geeinigt. Mit Vertretern der Stadt Nürtingen fand am 4. Februar 1972 ebenfalls im Hauptschulgebäude eine Besprechung statt. In der Bürgeranhörung am 27. Februar 1972 hat sich der überwiegende Teil der Tischardter Bürger für die Eingliederung nach Frickenhausen ausgesprochen. Am 17. März 1972 haben die beiden Gemeinderatsgremien in gleichlautenden Beschlüssen der Vereinbarung zugestimmt und als Tag der Eingliederung den 15. April 1972 festgelegt. Nach der Genehmigung der Vereinbarung durch das Innenministerium fand am 8. April 1972 in feierlicher Sitzung im Gasthaus zum Adler in Tischardt die Unterzeichnung statt. Landrat Dr. Schaude nahm daran teil. Der Bericht des Herrn Herzog in der Nürtinger Zeitung war überschrieben: "Vernunftehe Frickenhausen-Tischardt besiegelt".

Ich habe seinerzeit unter anderem ausgeführt: "Daß es in Tischardt während der letzten Wochen über die Fragen zu keinen emotionalen Auseinandersetzungen gekommen ist, ist sicher darauf zurückzuführen, daß beide Vertragspartner wußten, mit wem sie es zu tun hatten. Sicher hat die bisherige teilweise gemeinsame Verwaltung dazu beigetragen, daß hier niemand das Gefühl hatte, sich einer ungewissen Zukunft auszuliefern, also mehr oder weniger im Dunkeln tappen zu müssen. Mit der heutigen Vertragsunterzeichnung gibt nun die urkundlich erstmals 1301 erwähnte Gemeinde Tischardt ihre durch Jahrhunderte bestehende Selbständigkeit auf. Sie hört aber nicht auf zu leben als eine sehr lebendige Gemeinschaft von Bürgern, sie gibt nur einen Teil ihrer politischen Verantwortung ab. In Zukunft werden die Aufgaben, die uns berühren, zusammen gelöst. Tischardt wird aber sein Eigenleben auch in Zukunft haben. Ein Eigenleben, um das uns viele beneiden. Ich denke hier nur an unser sehr aktives Vereinsleben. Erst, wenn wir miteinander arbeiten und dabei die Eigenart und die Geschichte eines jeden Vertragspartners anerkennen und respektieren wird die Gemeindereform die Vorteile bringen, die wir uns davon erhoffen. Miteinander wollen wir die Zukunft gestalten. Sicher ist, daß in einer größeren Einheit die Zukunftsaufgaben besser bewältigt werden können. Sicher ist auch, daß Planungen heute nicht mehr an einer Markungsgrenze enden können. Keine Gemeinde sollte sich um des Geldes willen einer anderen anschließen; dafür müssen andere Gründe maßgebend und ausschlaggebend sein. Wir haben in Tischardt und in Frickenhausen die Sonderzuwendungen nicht als "Abschlachtungsprämie" empfunden, sondern als eine zusätzliche finanzielle Möglichkeit,  d i e  Einrichtungen zu schaffen, auf die wir dringend angewiesen sind. Unsere Kommunalpolitik hat ihren Niederschlag in der vorliegenden Vereinbarung über den Zusammenschluß unserer beiden Gemeinden gefunden. Nicht allein der Wortlaut, die einzelnen Bestimmungen werden entscheidend sein, sondern der Geist, der sie trägt. Der Geist einer guten nachbarschaftlichen, den Gemeinden ganz verpflichteten Zusammenarbeit."

Mein seinerzeitiger Stellvertreter in Tischardt und damit Vertreter der Gemeinde Tischardt, Herr Strobl, erklärte unter anderem:

"Die Gemeinde Tischardt steht heute vor dem bedeutsamsten und wichtigsten Ereignis, das es seit langem in ihrer Geschichte gegeben hat. Er bedeutet für Tischardt nach rund 700-jähriger Geschichte die Aufgabe der rechtlichen Selbständigkeit zu einem Zeitpunkt, in dem die Gemeinde mit einer Einwohnerzahl von rund 1.000 ihre bisher größte Ausdehnung erreicht hat und ein weiteres starkes Wachstum ausweist. In dem kleineren Verwaltungsraum Frickenhausen behält Tischardt dagegen ein Eigengewicht, welches in der Zukunft einen Einfluß auf die eigene und darüber hinaus auf die Gesamtentwicklung ermöglicht. Nimmt man die zahlreichen vorhandenen öffentlichen und privaten Bindungen zwischen Tischardt und Frickenhausen hinzu, dann ist einsichtig, weshalb die Bürgerschaft und der Gemeinderat sich für die Eingliederung Tischardts nach Frickenhausen entschieden haben."

Zum Schluß erklärte Herr Strobl: "Der vorliegende Vertrag bildet einen Schlußpunkt in der Geschichte der Gemeinde Tischardt. Er ist zugleich aber auch Ausgangspunkt für die positive Weiterentwicklung Tischardts auf einer neuen Grundlage. Der Gemeinderat ist überzeugt, daß der Vertrag dem Anspruch der Gemeindereform gerecht wird und einen sinnvollen Beitrag zu dieser Reform bildet. Möge er auch den Zweck erreichen, welcher für alles Handeln auf Gemeindeebene der wichtigste ist und der vom Gemeinderat in erster Linie angestrebt wurde: Die Verbesserung der Lebensverhältnisse unserer Bürger und Einwohner."

Meine Damen und Herren, innerhalb der Vereinbarung wurde im einzelnen die Einführung der Ortschaftsverfassung vereinbart, unechte Teilortswahl, bei einer möglichen Eingliederung der Gemeinde Linsenhofen die Zusicherung, daß beiden Ortsteilen die Hälfte der Sitze im Gemeinderat zusteht. Es wurde festgelegt, daß in Tischardt eine örtliche Verwaltung erhalten bleibt, und daß ein Ortsvorsteher bestellt wird. Bezüglich der Schule hat sich Frickenhausen verpflichtet, alles zu tun, um die Schule in Tischardt zu erhalten. Weiter wurde festgelegt, daß sich die Gemeinde Frickenhausen um die Herstellung eines Geh- und Radweges entlang der Kreisstraße nach Frickenhausen zu bemühen habe, ebenso um die Erhaltung der Poststelle. Bezüglich der Freiwilligen Feuerwehr wurde vereinbart, daß im Ortsteil Tischardt eine Abteilung der Freiwilligen Feuerwehr Frickenhausen erhalten bleibt.

Besondere Bedeutung kommt den §§ 26 und 27 zu, in denen bestimmt wurde, was an Einrichtungen im Ortsteil Tischardt zu schaffen sei. Ich darf hier aufzählen: 1. Erschließung des Baugebiets Öschle, 2. Neubau eines Kindergartens mit zwei Abteilungen, 3. Sportplatzneubau, 4. Hochbehältererweiterung, 5. Ausbau der Neuffener Straße, 6. Verbesserung der Ortsdurchfahrt und Herstellung eines Gehweges in der Grafenberger Straße, 7. Neubau einer Grundschule auf dem vorgesehenen Gelände, 8. Erstellung eines Wohnhauses für den Hausmeister des Kindergartens, 9. Durchführung der Baulandumlegung Frickenhäuserstraße II und bebauungsfähige Erschließung des Baugebiets, 10. die Ortssanierung, 11. Ausbau von Feld- und Waldwegen, weiter die Erweiterung des Friedhofs und Bau einer Aussegnungshalle sowie Anschaffung eines Feuerlöschfahrzeuges. Hierfür sollten 85 % der Sonderzuweisung nach § 34a FAG verwendet werden.

Von allen diesen vereinbarten Vorhaben ist die Herstellung eines Auffüllplatzes für Aushub an der Markungsgrenze Tischardt-Kohlberg nicht durchgeführt worden, weil dazu eine Genehmigung nicht zu erhalten war. Der Neubau der Grundschule steht noch aus. Hier sind die sehr stark zurückgegangenen Schülerzahlen der Grund dafür. Solange keine Änderung eintritt, wird mit einem Neubau auch nicht gerechnet werden können.

Für die großen Investitionen in den letzten zehn Jahren wurden ausgegeben: Hochbehälter 441.459 DM, Kindergarten 993.499 DM, Leichenhalle, Erweiterung des Friedhofs 386.701 DM, Sportplatz 467.342 DM, Kläranlage Großbettlingen 221.000 DM, Feldwegbau (Eichbühlweg, FW 19, Heuwiesenweg) 342.000 DM, Geh- und Radweg 64.000 DM, Ausbau der Grafenberger Straße, des Brunnenwegs mit Erneuerung des Wasserleitungs- u. Kanalnetzes sowie Regenüberlaufbecken West 1.512.000 DM, Grünanlagen in der Ortsmitte mit Kauf des Hauses Schäfer 113.000 DM, insgesamt 4.511.091 DM.

Dazu kommen für kleinere Arbeiten, wie Erschließung der Baugebiete Öschle, Frickenhäuserstraße II, für Grunderwerb, Spende zum Kirchenneubau, Ausbau der Neuffener Straße und des Kinderspielplatzes weitere 700.000 DM, so daß die Gesamtinvestitionen in den letzten zehn Jahren rund 5,2 Millionen DM betragen. Für die Neugestaltung der Ortsmitte und den Ausbau des Eichbühlwegs stehen weitere 200.000 DM zur Verfügung, so daß das Investitionsvolumen bis jetzt 5,4 Millionen DM beträgt. Sicher ein stolzer Betrag!

Aus Mitteln des Finanzausgleichs nach § 34a FAG hat die Gemeinde netto 2.277.065 DM erhalten. Für die Investitionen im Ortsteil Tischardt stehen nach § 27 der Vereinbarung 1.935.505 DM zur Verfügung. Diesem Betrag stehen 4,5 Millionen DM Bauausgaben gegenüber.

Wir haben die Vereinbarung nicht nur dem Wortlaut entsprechend erfüllt, sondern auch mit dem erforderlichen Geist durchgeführt. Ich bin persönlich stolz darauf und wir dürfen das alle sein, daß die übernommenen Verpflichtungen so exakt und pünktlich eingehalten wurden. Diese Erfolge und die finanzielle Grundlage für unsere Gemeinde konnten jedoch nur erreicht werden, weil wir vorausschauend geplant, sparsam gewirtschaftet und verwaltet und kräftig gearbeitet haben, jeder an seinem Platz. Dazu gehörte eine große Portion Geduld und Beharrlichkeit in der Verfolgung der für richtig erkannten Ziele.

Alle in der Zwischenzeit stattgefundenen Gemeinderatswahlen und Ortschaftsratswahlen und die Bürgermeisterwahl haben bewiesen, daß der von uns eingeschlagene Weg richtig ist. Die Bürgerschaft hat ihre volle Zustimmung dazu gegeben. Anläßlich meiner Wahl am 26. Februar 1978 habe ich unter anderem gesagt: "Auch die Zukunft stellt uns vor schwierige Aufgaben. Im Vordergrund wird unser Bemühen um das Zusammenwachsen der drei ehemals selbständigen Gemeinden stehen müssen. Es geht darum, ein Bewußtsein der Zusammengehörigkeit zu schaffen, ohne die kulturelle Selbständigkeit der Ortsteile zu beeinträchtigen." Dies gilt immer noch.

Wir waren uns immer darüber einig, daß diese Aufgabe nur gelöst werden kann, wenn alle Bürger, wenn unsere Vereine, die Schulen und unsere Kirchen mitziehen und uns in diesem Bestreben unterstützen.

Ich darf diese Gelegenheit heute dazu benützen, allen Bürgern unserer Gemeinde, den Ortschaftsräten und den Gemeinderäten, aber auch allen meinen Mitarbeitern – hier darf ich Herrn Ortsvorsteher Brandstetter und Herrn Weiß erwähnen – für die bisherige Unterstützung sehr herzlich zu danken und daran die Hoffnung eine weitere gute Entwicklung, gute Zusammenarbeit mit unseren Bürgern und für unsere Gemeinde knüpfen. Ich danke Ihnen.

 

Zehn Jahre Eingliederung Tischardts nach Frickenhausen, 15. April 1982